Dr. Stefan Dötterl beim KV Tirschenreuth

Referat

Dr. Stefan Dötterl:

"Massensterben der Honigbiene -
Ursachen, ökonomische und ökologische Konsequenzen"

Ein glückliches Händchen hatte Helmut Standfest, Vorsitzender des Kreisverbandes Tirschenreuth im LVBI, als er Dr. Stefan Dötterl, Diplombiologe und Dozent an der Uni Bayreuth, als Referenten für die Hauptversammlung des KV holte.

Etwa 100 Interessierte kamen ins „Hotel Steinwaldhaus“ in Pfaben bei Erbendorf. So gut war eine Kreisversammlung noch nie besucht, obwohl diesmal nicht die Praxis der Bienenhaltung Thema des Referats war. Dr. Dötterl gab einen Überblick über den aktuellen Stand der weltweiten Forschung zum Thema  „Massensterben der Honigbiene“. Das war schwere Kost für Nicht-Wissenschaftler, aber der Referent verstand es hervorragend, das Thema auch für Laien verständlich zu machen.

Ein fast weltweites Phänomen

Massensterben der Honigbiene gab es auch früher, in den letzten Jahren stiegen aber das öffentliche Interesse und auch die wissenschaftlichen Untersuchungen sprunghaft an. Besonders betroffen ist die nördliche Halbkugel, vor allem die USA und Europa. Besondere Aufmerksamkeit erlangten die Massenzusammenbrüche in den USA, wo jährlich schon bis zu 30% des Bestandes oder bis zu 800000 Bienenvölker eingingen. In Europa werden verlustreiche Jahre im wesentlichen der Varroa-Milbe angelastet. Die Ursachen sind jedoch vielfältig.

Varroa-Milbe und Viren

Ursprünglicher Wirt der Varroa-Milbe war die Asiatische Honigbiene, der Wirtswechsel auf „unsere“ Westliche Honigbiene fand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt. In Deutschland tauchte sie 1977 auf, in den USA 1987.  Mittlerweile ist sie weltweit verbreitet – mit Ausnahme von Australien, wo ein striktes Einfuhrverbot für Bienen gilt.

Verbreitet wird die Milbe über erwachsene Bienen, auf denen sie sich festsetzt. Die Fortpflanzung geschieht in der Bienenbrut. Beeindruckend beschrieb Dr. Dötterl die „innere Uhr“ der Varroa-Milbe. Die Milbe geht etwa 15-20 Stunden vor Verdeckelung in die Arbeiterinnenbrut und 40-50 Stunden vor Verdeckelung in die Drohnenbrut. Drohnen schlüpfen etwa 325 Stunden nach Verdeckelung, die Arbeiterinnen aber bereits nach etwa 275 Stunden. Diese Unterschiede bewirken, dass aus der Arbeiterinnenbrut höchstens zwei fortpflanzungsfähige Varroa-Jungweibchen schlüpfen, aus der Drohnenbrut aber drei.

In Deutschland besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bienensterben und der Varroamilbe.

 

Verstärkt werden die Schäden durch das „Flügeldeformationsvirus“, das sich durch verkrüppelte Flügel und einen verkürzten, aufgeblähten Hinterleib bemerkbar macht. Die Biene hat mit dem Virus normalerweise keine Probleme. Die Viren vermehren sich aber in der Varroa-Milbe, die ohnehin durch Varroa geschwächten Bienen werden durch die Milbe zusätzlich infiziert.

Umweltbedingte Stressoren

Große Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2008 das Massensterben im Südwesten und einem kleinen Gebiet im Südosten Deutschlands. 12174 Völker waren betroffen, meist starben die Hälfte der Bienen eines Volkes. Totalverluste waren aber sehr selten. Ursache waren Clothianidin-Vergiftungen. Das Mittel wurde beim Beizen von Saatgut gegen den Westlichen Maiswurzelbohrer verwendet. Bei der Aussaat der Maiskörner wurden Beizpartikel in die Luft geblasen und so weitflächig auch auf Blüten verteilt.

Erheblich schwieriger als tödliche Vergiftungen sind die nicht-tödlichen Vergiftungen nachzuweisen und zu bewerten. Anhand von Grafiken verdeutlichte Dr. Dötterl, dass bei vielen Vergiftungen das „Lernverhalten“ der Bienen teils dramatisch geschädigt wird. Das bedeutet, z.B., dass sich Bienen Düfte nicht merken können und so duftende Blüten und Trachtquellen schlechter wiederfinden können.

 

Eingeschränkte genetische Diversität ( Tendenzen zu Inzucht)

Der verständliche Wunsch der Imker nach friedlichen und leistungsfähigen Bienen, führt nach Dr. Dötterl aber dazu, dass die genetische Vielfalt der Honigbiene immer mehr eingeschränkt wird. Problematisch sind dabei besonders Zuchtbetriebe, die aus wenigen Müttern Tausende von Jungköniginnen züchten. Die Vielfalt erhöht die Fitness der Biene. Versuche zeigen deutlich, dass Bienen, deren Königin von 15 Drohnen begattet wurden, erheblich mehr bauen und auch viel mehr Arbeiterinnen produzieren, als die Bienen in Völkern, deren Königin nur von einem Drohn begattet wurde.

Massensterben und Folgen für die Ökologie

Die Aussagen der Imker über den hohen ökologischen Nutzen der Honigbiene sieht Dr. Dötterl distanzierter. Die Apis mellifera spielt bei der Bestäubung der meisten Wildpflanzen nur eine untergeordnete Rolle. In große Teile der Welt (Süd-, Nordamerika, Ostasien, Australien) ist die Honigbiene erst durch den Menschen gekommen, und auch in Mitteleuropa gibt es sie erst seit dem Ende der Eiszeit. Die meisten Wildpflanzen konnten sich während ihrer Evolution daher kaum an die Honigbiene anpassen, und auch die Honigbiene, die während der ganzen Vegetationsperiode aktiv ist und eine Vielzahl verschiedener Pflanzen besucht, darunter bevorzugt Monokulturen, konnte und musste sich nicht auf bestimmte Wildpflanzen einstellen. Wichtig für die Vielfalt der Pflanzen ist die Vielfalt an Wildbienen und die Vielfalt anderer bestäubender Tiere.

 

Bild: Johann Schön

Ökonomische Folgen

Unbestritten ist aber die ökonomische Bedeutung der Honigbiene als Bestäuber von Nutzpflanzen. 99% des Nutzens der Biene macht die Bestäubungsleistung aus, 1% ist der Wert der Bienenprodukte, so Dr. Dötterl. Und er setzt sich auch kritisch mit (angeblich) Albert Einsteins Spruch auseinander („Stirbt die Biene, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben!“), denn nur 6% der Nahrungsproduktion ist überhaupt von der Bestäubung abhängig. Der Wert dieser Bestäubungsleistung, oft in Monokulturen,  wird aber auf etwa 153 Milliarden Euro geschätzt. Zu einem Teil davon trägt die Honigbiene bei, die insofern tatsächlich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist.

Massensterben und (Aus)nutzen der Biene in den USA

Nutzen und Probleme der Bienen – beides ist in den USA extrem ausgeprägt, und Dr. Dötterl ist sich sicher, dass das Massensterben der Honigbiene in den USA neben Varroa und Viren, auch mit der Art der Bienenhaltung in den USA zusammenhängt, wo die Biene oft als „Bestäubungsmaschine“ gehalten wird. Mit dramatischen Beschreibungen, Tabellen und Schaubildern macht der Referent die Ausbeutung und das Leiden der meisten dortigen Honigbienen deutlich.

Ein paar Aspekte:

Etwa 80% der Mandeln kommen weltweit aus den USA, etwa 60 Millionen Bäume werden in den USA (Californien) in oft wüstenartigen Gebieten kultiviert. Etwa 2 Millionen Völker werden jährlich im Februar zu den Bäumen gefahren. Die Biene ist einziger Bestäuber der Mandeln. Der Imker erhielt im Jahr 2000 etwa 40-50 Dollar je Volk, 2008 bis 150 $ je Volk, das in die Mandelplantagen gebracht wird, als Bestäubungsprämie. Für ihre Aufgabe als Bestäuber werden die Bienen – massenweise auf Trucks verladen, manchmal unterwegs mit Wasser besprüht, oft bei sengender Hitze – über die Highways gefahren. Eingesetzt werden sie im Laufe eines Jahres in den Mandelplantagen, dann bei den Äpfeln, den Kürbissen, den Heidelbeeren im Norden der USA. Am Ende einer Saison haben die überlebenden Völker eine Reise von zum Teil 13000 Kilometern hinter sich, bevor sie, oft in Florida, überwintert werden.

Fazit

Ein begeisterter Wissenschaftler mit einem spannenden und begeisternden Referat. Schade nur, dass man das alles bisher nirgends nachlesen kann. So bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass Dr. Dötterl dieses interessante Gebiet bald der breiten Imkerschaft zugänglich macht  – vielleicht auch leicht verständlich und häppchenweise als kleine Serie im IMKERFREUND.

Bericht zum Referat: Johann Schön

Kontaktadresse Dr. Stefan Dötterl: stefan.doetterl(at)uni-bayreuth.de

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